Kritiken


Zur Ausstellung in der Marktkirche Hannover 2022

Katalog " Das Halsband der Taube"

Einführung

Dr. Paul Kaiser.

Standwaage auf der Drehbühne.

Frank Schult malt allegorische Tableaus vom Zustand der Welt.

 

Im Kreis

Dr. Andreas Hünecke 

 

 "Verwandtschaft im Fremden"

Dr. Simone Liedtke

Vorwort 

Matthias Riemann

"Evas leise Illusion"

Anika Schult-Fietz

"Schritte durch die Zeit"

Mareike B. Schult


Museum der Bildenden Künste Leipzig

Ausstellung, " Der Optimierte Mensch"

Momente der Industriekultur in der bildenden Kunst

 

 

FRANK SCHULT

Auf der Suche nach Wahrhaftigkeit

Da ist zunächst ein wildes malerisches Ereignis – ein Kumulieren von Linien, ein Verknäulen von Formen. Bei näherem Hinsehen steigen Ornamente, Figuren, Architekturen, Landschaften empor. Helle Partien und dunkle Zonen setzen Akzente. Zusammen hält das Chaos ein Kreis. Der Titel des Bildes ist „Steuermann“.

Ist also der Kreis eher das vom Steuermann gedrehte Rad? Doch scheint der sogenannte „Steuermann“ des Bildtitels mit dem (Schicksals)rad verbunden, er wird mitgedreht – dann wieder steht er in einem Boot, einer Gondel, wie es der schemenhafte Ausblick auf eine venezianische Impression nahelegt? Und was bevölkert nicht alles dieses Boot! Eine ganze Zeit- und Kunstgeschichte scheint darin versammelt, ramponiert und nur in Bruchstücken. Schichten von Räumen und Zeiten überlagern sich, ausformulierte Figuren und skizzenhafte Strichmännchen, körperhafte Gestalten und Schemen. Wie bei einem Palimpsest lagern sich lasierende Farbfelder übereinander, Gedanken und Träume gehen ineinander über – was gehört zu uns, was bleibt von uns in dem Vielen der Welt, wir drehen uns weiter und es sammelt sich dabei weiter Fracht an. Wie bringen wir Ordnung oder einen Sinn darin unter? Frank Schult sucht nach einem Sinn, indem er malt.

Frank Schult, geboren 1948, stammt aus Ilmenau  in Thüringen. Er gehört von seiner malerischen Herkunft her zur Leipziger Schule, studierte zu DDR Zeiten bei Heisig, Rink und Sitte. Durch sein Engagement in der Kirche hatte er einige Schwierigkeiten, die schließlich zu einer 200seitigen Stasiakte angeschwollen waren. Auch zu seinem Lehrer Willi Sitte war ein Bruch eingetreten. 1985 stellte Schult einen Ausreiseantrag. Seit 1990 lebt er mit seiner Familie in Celle, seit kurzem hat er auch ein Atelier in Hamburg. Neben einer Vielzahl malerischer und drucktechnischer Werke entstehen Bühnenbilder, Skulpturen, Künstlerbücher. Auch Arbeiten für Kirchen hat er immer wieder geschaffen, z. B. ein raumhohes Fastentuch für die gotische Stadtpfarrkirche in Marburg.

Seine technisches Können steht außer Frage, auch dass  ihn darüber hinaus mit den anderen Malern der Leipziger Schule einiges verbindet, ist nicht zu übersehen.

Doch was ist das Besondere an seiner Malerei? Sie setzt ausformulierte Gestaltungen neben Kritzeleien, drucktechnische Elemente, Ornamentik und wildes Gestikulieren wechseln, Surreales und Futuristisches, Realistisches und Expressives – Schult kann aus einem überreichen Fundus der Malereigeschichte schöpfen und all dies in seiner sehr freien Kombinatorik seinen Themen anverwandeln  – oft wird er vom Sog der Malerei mitgerissen. Es hat keine Boschaft zu verkünden, keine These zu illustrieren, er ist kein Verkünder und kein Analyst…er ist ein Getriebener und ein Suchender

Oft tragen die Bilder Titel aus der antiken Mythologie oder aus der Bibel, reichen aber stets über diesen Haltepunkt hinaus, bringen subjektiv-biografisches ein und verwandeln so die Themen in etwas völlig Neues, das sich nur partiell und in den seltensten Fällen aufschlüsseln läßt.

Analytisch oder bewußt verrätselt sind seine Werke nicht – sie sind ein malerisches Protokoll, wie das ist mit der Suche nach Wahrheit, mit dem existentiell anstrengenden Bemühen, sich nicht zu belügen. Deshalb gibt es auch den Mut, Hilflosigkeit angesichts der Überforderung ins Bild zu setzen. Staunen und  Hinschauen und genau wahrnehmen und das dann gestalten bedeutet ja nicht eine Beherrschung der Welt – allenfalls eine vorübergehende Bändigung der Eindrücke. So fokussiert die Kreisform unseres Bildes, statt ideale Renaissance-Proportionen wie bei Leonardo,  den Blick auf das verwirrende Treiben der Augenblicke, Gedanken, Erinnerungen, Empfindungen eines Menschen.

(Claudia Breinl)